THEATER  KOMMT  INS  SPIEL

 

Seit September ’89 zupfte Manoli bei uns seine Gitarre und wir haben reichlich gespielt. Auf einem alten Programmzettel von Anfang ’90 stehen exakt 39 Titel. War überhaupt für die Band eine kreative Zeit: ein neues Kinderprogramm („Die Geschichte vom verlorenen Lied“) und die Musik zu dem Theaterstück „Was heißt hier Liebe“ am Theater Freiberg. Dazu sind wir auch gekommen wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind: Jens musste damals einige Zeit nach Ungarn und seine Wohnung stand leer. Das wusste nun wieder ein Freund, der es einem Freund sagte, dessen Bekannte in Freiberg eine Bude suchte. Also: Jens weg, diese Tante rein, dort gewohnt, Tante weg, Jens wieder da. Keiner aus der Band hat diese Tante je gesehen, sie soll aber ziemlich dick gewesen sein. Was heißt hier Liebe Außerdem war sie Musikdramaturgin am Theater Freiberg und wusste, dass Jens in einer Band spielt. Die Band hatte sie zwar noch nie gehört, aber aus Dankbarkeit wärmstens dem Theater für „Was heißt hier Liebe“ empfohlen. Da haben wir uns nun das Stück und die Liedtexte durchgelesen, uns mit den vier Schauspielern beraten und kleine Änderungen vorgeschlagen. Erst mal sind alle vorhandenen Liedtexte samt Musik rausgeflogen. Dann hat Zwiebel neue Texte geschrieben und Soldi neue Musik dazu. Mit Karina zusammen sind noch ein paar neue Szenen dazugekommen – und der Regisseur hat immer unten gestanden und gelächelt. Manchmal hat er auch gesagt, dass er das schon immer so wollte. Insgesamt haben wir das Stück 54 mal gespielt. 

 

ES  MUSS  ROCKEN

 

So um Mitte der 90er kam Dirk am Saxophon zu der Band und wir spielten und spielten, aber nicht mehr so oft wie früher, eigentlich von Jahr zu Jahr weniger, denn die ganzen Klubs machten einer nach dem anderen zu. 1992 ging Manoli und Peter spielte die Gitarre. Das hieß: alles noch mal von vorn proben. 1993 kam ein neues Kinderprogramm („Das Märchen vom gestohlenen Mond“), was weiter gut lief. Das haben wir dann Jahre später recycelt und mit ca. 50 Schülern und richtiger Band auf die Tivolibühne gestellt. Bandfoto Auch als Rockband hatten wir 1993 noch schöne Muggen, z.B. zum Grünen Wochenende in Langhennersdorf oder zu Wahlkampfpartys (PDS am Vormittag, CDU am Nachmittag). Mittlerweile ist es 1994 und Manoli spielt wieder Gitarre. Aber damals hatten wir uns angewöhnt, einmal jährlich unser Abschiedskonzert zu geben. Das ist zwar beim zweiten Mal etwas peinlich, aber ab dem vierten letzten Konzert gewöhnt sich das Publikum daran. Wenigstens war immer volles Haus. Insgesamt betrachtet, war es für die Band damals eine Scheiß-Zeit. Die letzten Klubs mit Live-Musik hatten nichts zu lachen, die Event-Kultur blühte.

 

KINDERTHEATER

 

Da beschloss 1995 Soldi, die als Lehrerin auch Darstellendes Spiel unterrichtete, ein Theaterprojekt mit ordentlicher Live-Musik auf die Beine zu stellen – „Die kleinen Leute von Swabedoo“. Darsteller waren Schüler und die Musik kam hauptsächlich von Musikern der Band (Soldi, Dirk, Peter, Stefan und Jens), Philippe an der Trompete, Christoph an der Posaune mit Piotr an der Technik. Das wurde ein richtiges Ding, oft gespielt, die Presse jubelte „Kultmusical“ und wir haben davon eine Kassette aufgenommen. Die Reise nach Mirakuli. Anfang 1996 kam es in der Band zu einer ernsten Krise. Es gingen Jens, Dirk, Soldi, Stefan, Manoli und es kamen Ingmar und Udo. Da nun WunderBunTd nicht mehr da war, gründeten Ingmar, Udo, Zwiebel und Stefan die neue Band EMA, was „Erhöhtes Maulwurfsaufkommen“ heißt. (Gibt es jetzt leider nicht mehr.) Trotzdem haben Soldi, Jens und Zwiebel über das Jahr ein neues Kinderprogramm gebastelt („Die Reise nach Mirakuli“) und die Band hat wieder mal ihr übliches Abschiedskonzert gegeben. Das war’s?

 

IN  DER  SCHATTENWELT

 

Natürlich nicht, denn da kamen Solveig und Korthi, setzten sich hin und fragten: Wie jetzt? Is´ was los? Und die Antwort war: Na ja, Zwiebel hat ein neues Stück („Charon“) geschrieben, aber zu groß für uns, zu düster, keine Musik dazu, kein Regisseur usw. Nun hatte Soldi mit ihren Schülern im Chemnitzer Schauspiel gerade die legendäre Inszenierung „Kabale und Liebe“ von Martin Nimz gesehen und diesen Regisseur in die Schule eingeladen, um den Schülern zu erklären, weshalb es bei Schiller neuerdings Gartenzwerge gibt und das Stück im tiefen Schnee stattfindet. Dieser Regisseur wurde also für das geplante neue Stück als geeignet befunden und bekam den Text zugeschickt. Neue Aufgaben: Musik proben (Ingmar am Bass, weil Zwiebel zu den Schauspielern wechselte und Leo neu am Schlagzeug), Darsteller und Bühnenbildner suchen, den Martin Nimz einladen. Dazu spinnt man Intrigen und erzählt den Schauspielern, der Regisseur hätte schon zugesagt und gleichzeitig dem Regisseur, die Künstler hätten schon zugesagt. Countdown: Martin Nimz kam, um abzusagen. Er konnte nur nichts sagen. Zuerst musste er ein paar exzellent geprobte Titel der Band anhören. Bevor er danach zu Wort kommen konnte, wurde er untergefasst und in die erwartungsvoll dasitzende Runde der zukünftigen Darsteller geschleppt, die seine Regie-Konzeption hören wollten (er hatte ja, ihrer Meinung nach, schon zugesagt). Vergib uns, Martin. – Er konnte nicht anders. Unter der Bedingung professionelle Arbeit hat er dann eben zugesagt. Was er damit meinte, haben wir erst später verstanden. Zum Beispiel hatte Jochen Heite, damals Chef-Bühnenbildner des Freiberger Theaters, ein Bühnenbild entworfen und wir hatten das als Überraschung für den Regisseur schon den ganzen Tag lang aufgebaut. Seine Meinung dazu war „Unsinn, abbauen, Jens!: Ich will so was wie Bootsstege von hier nach da und nach dort, begehbar natürlich, edles Aussehen, in der Mitte drei Meter hoch, und so und so, morgen 10 Uhr zur Probe – du schaffst das!“ Oder: „Wozu brauche ich eine Souffleuse, ich arbeite mit den Schauspielern am Text, wenn die keinen Text können, brauche ich auch nicht erst zu kommen.“ – Das war sogar für die Profis, die ihr Geld als Schauspieler verdienen, etwas Neues. Für die Pressearbeit, neudeutsch PR, hatten wir Mirko gewonnen. Und er hat die Presse mit Artikeln überschüttet (auf der Titelseite der MoPo, eine ganze Seite in der SZ usw.). Zum ersten Mal haben wir eine Pressekonferenz gegeben. Langsam wurde das Ding zu groß und wir mussten uns einen neuen Ort für die Premiere suchen. Irgendeiner kam auf das Kloster Altzella (bei Nossen). Der Raum passte gut zum Stück, aber die Akustik war entsetzlich. Wir haben damals den Witz gemacht, dass man sich unsere letzte Probe als Echo auch zwei Tage später noch anhören kann. Da haben wir Gerüste gebaut, Seile gespannt und massenhaft Stoff aus dem Theater aufgehängt. Die 300 Zuschauer zur Premiere am 27.07.97 haben die Akustik dann auf ein erträgliches Maß gebracht. Verleihung des Mittelsächsischen Kulturpreises 1998 Erfolg? Ja, sehr, aber welcher Aufwand! Deshalb ist das Ganze auch nur noch sechs mal gespielt worden, zum letzten Mal im Februar ’99 in Clausthal-Zellerfeld. Außer einem LKW mit Bühnentechnik und Beleuchtung waren noch die Tontechnik und 24 Personen zu bewegen. Die Menschen wollen dann auch noch alle essen, trinken, schlafen usw. Es ist jedem von solchen Projekten abzuraten – wir planen das nächste.

Nachtrag: Soldi und Zwiebel haben für „Charon“ 1998 den Mittelsächsischen Kulturpreis erhalten.

 

NEUE  KONZERTE

 

Nach diesem Kraftakt war die Luft aus der Band erst mal raus. Ein paar Muggen hier und dort, aber nicht so das Richtige. Dann ging Ingmar in den Westen, Leo wieder nach Dresden und Philippe bereitete den Umzug nach Belgien vor. Da haben wir uns zusammengesetzt, getrunken, philosophiert und beschlossen, der Nachwelt etwas Bleibendes zu hinterlassen. Für eine CD von „Charon“ hatten wir nicht genug Geld, also sollte es eine Kassette mit „The Best of…“ aus unseren bisherigen 5 Kinderprogrammen sein: „Kinderlieder 1“ Mittlerweile hatten wir auch die Band neu formiert, und zwar mit Hans am Bass und Tom am Schlagzeug. Dirk war mal weg, dann wieder da. Falls jemand den Besetzungswechseln der Band bis hierher nicht folgen konnte – ab jetzt: Soldi (p,voc), Jens (voc,sax), Zwiebel (voc, guit), Manoli (guit), Hans (b), Tom (dr). Nach unserem Selbstverständnis als Band haben wir uns für die Aufnahmen zur Kinderkassette richtige Musiker ausgeborgt. Das waren Rhena (viol), natürlich Philippe (tr) und Benni (fl). Die Aufnahmen haben wir ganz in Ruhe bei Soldi und Jens im Wohnzimmer gemacht und bei Frank Bucher in Hormersdorf abgemischt. So konnte Zwiebel mehrmals und ganz ohne Studiostress mit einem Hammer im Takt Geschirr zerschlagen, bis das richtige Ende des Titels „Sammeltassen“ auf Band war. Wolfgang Borchert wurde als Texter für die Band entdeckt und seine Lyrik hat uns musikalisch ein ganzes Stück weitergebracht. Ansonsten halt mal hier und da gespielt. Zu dieser Zeit, also Anfang ’99, sind endlich auch die Charon-Titel aufgenommen worden. Bloß nach dem Abhören der Titel waren die Musiker so unzufrieden, dass fast alles noch mal neu eingespielt werden musste. Danach – die Spuren noch mal im Zusammenhang gehört – wieder neu eingespielt usw. Als endlich alles auf Band war, also Jahre später, haben Soldi, Jens und Zwiebel den ganzen Kram gemischt und vergeblich auf einen Sponsor gewartet, der die CD-Produktion bezahlt. Inzwischen rollt Soldi die Jugendweihe-Szene auf – statt festlicher Darbietungen der Yamaha-Musikschule spielt jetzt eine Band und dazwischen sind noch kurze Spiel-Szenen zu sehen. Bis 2000 lief das Programm mit Soldi, Matthi, Ulrike, Benni, Franziska und den Freiberger Blechbläsern. Seitdem schrieb Soldi aller zwei Jahre ein neues Jugendweiheprogramm, was mit der Kernbesetzung von Soldi am Piano, Jens mit Gesang und Mandoline, Robert an der Gitarre und Tom am Schlagzeug und natürlich den Freiberger Blechbläsern bis 2008 aufgeführt wurde. Eine gute Idee war, auch unser Konzertprogramm mit szenischen Darbietungen zu bereichern, beispielsweise durch die Vorführung der „fliegenden Brillengläser“. Diese sehr seltenen Fotos zeigen uns die komplizierten Vorbereitungen und als Höhepunkt zwei gleichzeitig herumfliegende Brillengläser samt zugehöriger Brille. Die Jahrtausendwende haben wir als Band auf der Bühne verbracht. Mitten im Titel war es plötzlich neues Jahr. Aber Zwiebel: „Millennium ist, wenn wir das wollen!“ Soviel zum Thema Selbstbewusstsein.